Quelle: Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz

Energiewende-Rechner: Machbar und bezahlbar – ein klimaneutrales Energiesystem für Thüringen

Auf Länderebene bisher einzigartiger digitaler Energiewende-Rechner vorgestellt.

Ein Forschungsteam der Hochschule Nordhausen kommt mit dem Rechenmodell zum Ergebnis: Ein klimaneutrales Thüringen ist versorgungssicher, langfristig günstiger und mit mehr regionaler Wertschöpfung verbunden als der Status Quo. Wichtigste Instrumente dafür sind verbindliche Ausbauziele für die erneuerbaren Energien und klare Reduktionsziele für den Treibhausgasausstoß, so die Forschenden.

„Die Energiewende sauber, sozial und sicher gestalten, das ist unser Ziel. Dafür haben wir jetzt ein bundesweit einzigartiges Rechenmodell in der Hand. Es zeigt auf, wie wir die klimapolitischen Ziele erreichen können“, sagte Umweltministerin Anja Siegesmund. „Damit wir Treibhausgasneutralität erreichen, brauchen wir den Booster für die erneuerbaren Energien. Mit Rückenwind der neuen Bundesregierung werden wir Wind- und Sonnenenergie kräftig ausbauen“, so Siegesmund weiter.

Thüringen ist mit dem Simulator von der Hochschule Nordhausen das erste Bundesland, das sein Energiesystem virtuell abbilden und konfigurieren kann. Damit steht für die Energiepolitik ein enorm wertvolles Werkzeug bereit. Der Energiewende-Rechner funktioniert als frei verfügbare Open Source Software und steht (weil variabel skalierbar) anderen Bundesländern, Kommunen, Energieversorgern, Stadtwerken und Unternehmen zur Verfügung.

„Wir können damit zeigen, wie eine auf erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung beschaffen sein muss, um die im Tages- und Jahresverlauf stark schwankende Energienachfrage in allen Sektoren zuverlässig zu decken. Und das mit den regionalen Potentialen und zugunsten einer regionalen Wertschöpfung“, sagte Professor Viktor Wesselak.

Der Energiewende-Rechner arbeitet mit veränderlichen Variablen:  Die Reduzierung des C02-Ausstoßes kann vorgegeben werden und hat Auswirkungen auf Zielwerte wie den Ausbau der erneuerbaren Energien (Wind, Sonne, Biomasse), die Sektorenkopplung (z.B. Power to Heat),  die Kosten und die Versorgungssicherheit. Zielwerte haben wiederum Auswirkungen auf das Ausmaß und Tempo der C02-Reduktion. Welche Technologien kommen unter welchen Bedingungen zum Einsatz? Welche Instrumente sind am schlagkräftigsten? Und ist das Ganze bezahlbar? Auf diese und etliche weitere Fragen zur Ausgestaltung des Energiesystems gibt das heute vorgestellte Energiesystemmodell Antworten.

Schneller Ausbau für Wind- und Sonnenenergie & mehr Energieeffizienz

Alle berechneten Szenarien zeigen, dass ein schneller Ausbau von Windkraft und Photovoltaik mit hoher Leistung erfolgen muss. Konkret bedeutet dies bis 2030 eine Verdreifachung der installierten Leistung für beide Technologien. Nur dann seien die im Klimagesetz verankerten Ziele erreichbar. Die Windenergie hat aktuell eine installierte Leistung von rd. 1.700 Megawatt (844 Anlagen). Die installierte Leistung bei Photovoltaik (rd. 38.000 Anlagen) liegt bei rd. 1.970 Megawatt. Dazu gehen die Berechnungen von einem deutlich sinkenden Endenergiebedarf aus. Hintergrund ist die vollständige Umsetzung der auf Bundesebene geplanten Energieeffizienzmaßnahmen, insbesondere im Gebäudebereich.

Neue Speicher, Power-to-Heat-Technologie & Umbruch bei Biogas
Das schrittweise Ersetzen von fossilen Energieträgern im Wärmebereich benötigt den kontinuierlichen Ausbau von Power-to-Heat-Technologien in Verbindung mit einer saisonalen Wärmespeicherung. Elektrische Energie kann in elektrochemischen Energiespeichern und Pumpspeicherkraftwerken gespeichert werden. Für Erdgas und Wasserstoff bieten sich in Thüringen unterirdische Kavernen als Speicher an. Der modellierte Wärmespeicher fasst dezentrale sensible Wärmespeicher in den einzelnen Nah- und Fernwärmenetzen zusammen. Biogas wird, ausgehend von der heutigen reinen Strom- und Wärmeproduktion in Kraft-Wärme-Kopplung, immer mehr als Biomethan fossiles Erdgas ersetzen. Davon profitieren insbesondere industrielle und gewerbliche Nutzer von Brenngas zur Bereitstellung von Prozesswärme.

Hintergrund

Vertiefende Informationen finden Sie auch hier: So_gehts_Veröffentlichung.pdf (db-thueringen.de) Ein Energiesystemmodell (ESM) bildet ein reales Energiesystem schematisch ab. Die wichtigsten Komponenten eines ESM sind die verschiedenen Energieformen (typischerweise Primär-, End- und Nutzenergie) und die dazwischenliegenden Umwandlungs- und Speichertechnologien. Den Verbrauchssektoren „Industrie“, „Haushalt & Gewerbe, Handel, Dienstleistungen“ und „Verkehr“ (Nutzenenergie) steht auf der anderen Seite als Input eine Menge an Primärenergie (fossil oder Wind, Solar, Wasser, Biomasse) zur Verfügung. Das Energiesystemmodell  versucht, ein Optimum der Systemzusammensetzung zu ermitteln. Dieser Bestwert kann beispielsweise durch ein Minimum an Treibhausgasemissionen oder Gesamtkosten erreicht werden. Die vorliegenden Ergebnisse entstanden im Rahmen des Forschungsprojekts „Fallbeispiel Thüringen“ als Teilprojekt im Rahmen des BMWi-Projekts "ZO.RRO -Zero Carbon Cross Energy System".