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Boos-John zieht positives Fazit ihrer Delegationsreise nach China

Ministerin warnt vor Eskalation in Nexperia-Konflikt und setzt auf schnelle Verhandlungslösung / ‚China-Speed‘ und Technologieoffenheit als Vorbild für Deutschland / Zwei Kooperationen vereinbart und mehrere Projekte angeschoben

Thüringens Wirtschaftsministerin Colette Boos-John hat eine positive Bilanz ihrer Delegationsreise nach China gezogen. Die Reise sei ein intensiver Arbeitsbesuch gewesen, sagte die Ministerin am Freitagabend vor ihrem Rückflug von Shanghai nach München: „Und ‚Arbeitsbesuch‘ heißt, die eigentliche Arbeit geht nach dem Besuch erst richtig los.“ Seit Montag (20.10.) hatte die Thüringer Unternehmens- und Wissenschaftsdelegation fast 40 Termine in Peking, Shanghai, Ningde und Changzhou absolviert. Hinzu kamen individuelle Gesprächstermine einzelner Unternehmen mit potentiellen Geschäftspartnern. Jetzt gehe es darum, die Vielzahl angebahnter Projekte weiter zu verfolgen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, so Boos-John.

Im Zuge der Reise seien Kooperationen zwischen der Stiftung Schloss Friedenstein und dem Palastmuseum Peking sowie zwischen der LEG Thüringen und dem Zhongguancun Technology Park („Z-Park“) in der Region Peking vereinbart worden. Der Z-Park gilt auch als „Silicon Valley“ Chinas. Mit den Stadtregierungen von Ningde (Provinz Fujian), Taicang – aufgrund vieler dort ansässiger deutscher Firmen auch als „deutsche Stadt Chinas“ bezeichnet – und Changzhou (beide Provinz Jiangsu) hatte die Ministerin über Möglichkeiten einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit gesprochen, die in den kommenden Monaten konkretisiert werden sollen.

Das ERFURT Bildungszentrum (EBZ) plant eine Ausweitung der Zusammenarbeit mit dem Changzhou Technician College bei der Ausbildung chinesischer Jugendlicher zu Mechatronikern, Systemelektronikern oder Industriemechanikern nach deutschem Vorbild, die dann als Fachkräfte für Firmen in Thüringen und China zur Verfügung stehen. Bisher haben mehr als 1.000 chinesische Azubis diese Ausbildung bereits abgeschlossen. Zudem habe man in mehreren Investorenterminen nachdrücklich für den Standort Thüringen als Sprungbrett in den europäischen Markt geworben, sagte Boos-John. „Ich bin zuversichtlich, dass unsere Argumente an vielen Stellen auf fruchtbaren Boden gefallen sind.“ Investitionschancen gebe es auf vielen Feldern, u.a. im Bereich der Automobil- und Energietechnologien.

Bei einem Gespräch am Hauptsitz des Batteriezellenherstellers CATL habe sie mit dem Management darüber sprechen können, unter welchen Voraussetzungen ein weiterer Auf- und Ausbau des CATL-Standorts in Arnstadt möglich sei. Die Auftragslage für Elektrospeicher sei aktuell gut, so dass der Konzern weitere Produktionskapazitäten benötige, um die wachsende Nachfrage zu decken, sagte die Wirtschaftsministerin. „Das Hochfahren des Arnstädter Werks geht planmäßig weiter. Allerdings hat das Unternehmen der Thüringer und der deutschen Politik auch ein paar Wünsche mit auf den Weg gegeben – von der Unterstützung bei der Fachkräftegewinnung über eine zügigere Visa-Erteilung für chinesische Experten bis hin zu Entlastungen bei den Energiekosten, die Deutschland und damit auch Thüringen im Standortwettbewerb unattraktiv machen.“ Sie habe zugesichert, dass das Land weiterhin alles daransetzen werde, um hier für Verbesserungen zu sorgen. Das Thema der Visaerteilung hatte die Ministerin bereits auch bei ihrem Treffen mit der deutschen Botschafterin in Peking, Dr. Patricia Flor, zur Sprache gebracht.

Generell habe China in den letzten Jahren eine beeindruckende wirtschaftliche Entwicklung genommen – „vom ‚China-Speed‘ in der Wirtschaft und der Offenheit für Innovation und neue Technologien sollte sich auch Deutschland noch viel mehr inspirieren lassen“, sagte die Ministerin. Die Wahrnehmung Chinas im Westen sei nach ihrem Eindruck zuletzt nicht immer ganz vorurteilsfrei gewesen. „Ich glaube, wir müssen mehr Verständnis für die besondere Rolle und Entwicklung Chinas aufbringen“, so Boos-John. Ihre Reise habe sie deshalb unter das Motto „Dialog, Inspiration, Kooperation“ gestellt – das sei der Dreiklang, der das Verhältnis Deutschlands zu China wieder stärker bestimmen sollte. „Man kann aus meiner Sicht nach wie vor gut mit chinesischen Unternehmen und Geschäftspartnern zusammenarbeiten. Natürlich gibt es Risiken, die jedes Unternehmen individuell für sich bewerten muss. Aber ich kann jedem nur raten, sich vor Ort selbst ein Bild der Lage zu machen.“

Natürlich liege es im Interesse Deutschlands und auch Thüringens, das bestehende Handelsdefizit gegenüber China zu reduzieren. Deshalb werbe man weiter auch um chinesische Direktinvestitionen im Land. „Dabei ist es hilfreich, dass Deutschland in China weiterhin hohes Ansehen genießt. Deutschland hat traditionell einen guten Ruf und gilt wirtschaftlich als verlässlicher Partner.“ Für chinesische Unternehmen seien Standorte und Unternehmen in Deutschland oftmals Wunsch- und Premiumpartner, wenn es um den Sprung auf den europäischen Markt geht. „Das ist eine Chance, die wir in Zukunft wieder stärker nutzen sollten.“

Mit Blick auf die Auseinandersetzung um den chinesischen Chip-Hersteller Nexperia in den Niederlanden sagte die Wirtschaftsministerin, das Thema stelle eine existentielle Bedrohung für die deutsche und auch die Thüringer Automobilbranche dar. Sie warnte vor einer weiteren Verschärfung des Konflikts. Das Thema habe auch bei ihrem Gespräch im chinesischen Handelsministerium in dieser Woche eine zentrale Rolle gespielt. „Die chinesische Seite hat glaubhaft gemacht, dass sie kein Interesse daran hat, etablierte Lieferwege zu torpedieren, sondern an einer schnellen Lösung des Konflikts interessiert ist“, so die Ministerin. „Ich habe das Gefühl, das war sehr ehrlich gemeint. Es ist meine volle Überzeugung, dass Verhandlungen und Diplomatie hier eine Lösung bringen können und auch müssen. Die Europäer sollten in dieser Frage souveräner agieren. Vor allem müssen wir jetzt auf eine weitere Zuspitzung der Krise in Worten und Taten verzichten.“

Die Thüringer Delegation, die sich vom 18. bis zum 24. Oktober in China aufhielt, umfasste Unternehmen aus den Bereichen Energie- und Elektrotechnik, Sensorik, Optik, Messtechnik und Automobilzulieferung, zwei Fraunhofer-Institute, zwei Hochschulen (TU Ilmenau, Ernst-Abbe-Hochschule Jena), das Thüringer Innovationszentrum Mobilität (ThIMo), das ERFURT Bildungszentrum (EBZ), die Branchennetzwerke OptoNet Jena und Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk (ThEEN) sowie die IHKs in Erfurt und Suhl, die Ingenieurkammer und die Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung (STIFT).

Auf dem Programm standen Unternehmensbesuche, Investorenmeetings und Workshops. Die Delegation besuchte u.a. die Unternehmen CATL, Xiaomi, Beijing Aero Engine Services Co. Ltd., Baolong, Wanbang Starcharge, Baidu, Goldwind, die Beijing Robot Era Technology Co., das Beijing Innovation Center of Humanoid Robotics, die Tongji-Universität und das Changzhou Technician College. Daneben traf die Ministerin auch Vertreter des chinesischen Handelsministeriums sowie der Stadtregierungen von Ningde, Taicang und Changzhou. Organisiert wurde die Reise von der LEG Thüringen (Thüringen International) und dem Thüringer Wirtschaftsministerium mit Unterstützung der Deutschen Botschaft und der Außenhandelskammer (AHK) in China.

Stephan Krauß
Pressesprecher

Weitere Informationen: Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ländlichen Raum