Quelle: ThEGA GmbH

Weiterbildungsfahrt "Windenergie in Thüringen" am 10.04.2018

Informationspapier ThEGA/ Servicestelle Windenergie

Quelle: ThEEN e.V.

Rund 40 Teilnehmer, davon 20 Kommunalvertreter, haben am 10. April an der ersten Weiterbildungsfahrt „Windenergie in Thüringen“ teilgenommen. Die Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur GmbH (ThEGA) hatte gemeinsam mit dem Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk (ThEEN) und der Landesgruppe Thüringen des Bundesverbandes Windenergie zu dieser Fahrt eingeladen.

Per Bus ging es für die regionalen Entscheidungsträger und energiepolitischen Sprecher der Thüringer Landesregierung von Erfurt aus zu den Thüringer Windparks in Nentzelsrode, Heldrungen und Eckolstädt. Dort konnten die Teilnehmer Erfahrungen beim Umsetzen von Windenergieprojekten austauschen und gemeinsam mit den Akteuren vor Ort über aktuelle und künftige Herausforderungen diskutieren.
Hier wollen wir Ihnen einen kleinen Einblick der verschiedenen Windparkstationen geben, wobei bei jedem Windpark ein anderer Fokus über die Informationen von Windenergieanlagen in Thüringen gesetzt werden sollte.

Station 1: Windpark Nentzelsrode / Nordthüringen (Technischer Einblick in den Bau von Windenergieanlagen)

Der Windpark verfügt über aktuell zwölf Windenergieanlagen. Hier entstehen derzeit fünf neue Windenergieanlagen (E115) der Firma Enercon, deren Fertigstellung bis Ende Juni 2018 vorgesehen ist. Die Anlagen werden eine Gesamthöhe von 206,5 Meter haben und verfügen über einen Rotordurchmesser von 115 Meter. Sie befinden sich in einem, von der Regionalplanung Nordthüringen, ausgewiesenen Windvorranggebiet.

Unter anderem haben die Teilnehmer erfahren, dass der Turm einer E115 Windenergieanlage etwa 2.000 Tonnen Gewicht hat. Darüber hinaus bringen Gondel und Rotor noch mal rund 300 Tonnen Gewicht mit sich. Hier wurden die Dimensionen der Bauteile deutlich und konnten am Boden besichtigt werden.
Das Fundament einer solchen Windenergieanlage E115 hat einen Durchmesser von circa 26 Metern bei einer Tiefe von 3,65 Metern. Es besteht letztlich aus ca. 1.300 Kubikmeter Beton und 130 Tonnen Stahl.
Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit, in kleineren Gruppen den Turmfuß einer Enercon E82 Windenergieanlage zu besichtigen und sich hier über die technischen Details und die Steuerung einer Anlage zu informieren.
Weitere Informationen haben die Teilnehmer über Anfahrt und Zuwegung erhalten: 80 bis 90 Prozent des vorhandenen Wegenetzes konnten am Standort genutzt werden. Man versuche generell, vorhandene Wegenetze zu nutzen oder auszubauen. Für die Anfahrt einer Windenergieanlage (WEA) und deren Bauteile müssen die Wege mindestens eine Breite von ca.vier Meter besitzen.

Am selben Standort stehen bereits fünf Windenergieanlagen der älteren Generation (E66). Diese sollen im Zuge des Repowering zurückgebaut und durch zwei leistungsstärkere WEA ersetzt werden. Der Rückbau ist nicht nur aus Sicht der höheren Leistung gut und notwendig. Zusätzlich können mittlerweile veraltete Abstandsregelungen zur Wohnbebauung durch höhere Abstände (von derzeit 750 Meter auf ca. 1.000 Meter) reguliert werden.
Zukünftig kann eine solche Windenergieanlage E115 am Standort ca. 7,2 Mio. kWh im Jahr produzieren. Das heißt: Sie deckt den jährlichen Strombedarf von ca. 1.800 Vier-Personen-Haushalten.

Station 2: Windpark Heldrungen / Nordthüringen (Einblick in Genehmigungsverfahren und naturschutzfachliche Maßnahmen)

Der Windpark in Heldrungen befindet sich im Norden Thüringens am Rande des Naturparks „Hohe Schrecke“. Die Anlagen befinden sich in einem, von der Regionalplanung Nordthüringen, ausgewiesenen Windvorranggebiet. Hier stehen insgesamt neun Windenergieanlagen. Im Jahr 2004 wurden hier fünf Anlagen des Typs Enercon E66 errichtet. Drei weitere Windenergieanlagen des Types Enercon E-92 und E115 wurden im Jahr 2016 in Betrieb genommen. 2017 erfolgte der Zubau einer weiteren WEA E-101. Der Windpark verfügt somit über eine Gesamtleistung von 19,75 Megawatt.

Im Windpark Heldrungen lag der Fokus auf Fragen und Informationen zur Akzeptanz, naturschutzfachliche Belange sowie die Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen.
Am Standort stand man nach Aussage des Betreibers von Anfang an in einem guten Austausch mit der Stadt Heldrungen. In mehreren Gemeinde- bzw. Stadtratssitzungen wurde sich über die Planung und Errichtung der Windenergieanlagen ausgetauscht. Im Amtsblatt wurde die Bevölkerung in regelmäßigen Abständen über den Planungsprozess und den späteren Bau informiert. Es gab am Standort zu keiner Zeit Bürgerinitiativen oder Widerstände der Bewohner. Der Errichter und Betreiber der Anlagen hatte während der Bauzeit einen „Tag der offenen Baustelle“ veranstaltet, an dem alle Fragen der interessierten Bürgerinnen und Bürger beantwortet werden konnten. Hier hatten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich über technische Details und Fragen zum Genehmigungsverfahren zu informieren.

Im Austausch mit dem Landratsamt Kyffhäuserkreis konnten die an dieser Stelle umfangreichen naturschutzfachlichen Aspekte und sich daraus ergebende Vorgaben im Genehmigungsverfahren konstruktiv gelöst werden. Hier hatte das Genehmigungsverfahren dementsprechend etwas mehr Zeit in Anspruch genommen, da der Naturpark „Hohe Schrecke“ einen besonderen Schutzstatus genießt, und man sorgfältig und unter Berücksichtigung aller Belange die Genehmigung zu prüfen hatte. In Thüringen gibt es neben dem „Avifaunistischen Fachbeitrag“ auch eine „Arbeitshilfe zur Berücksichtigung des Fledermausschutzes“, welche im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz erstellt wurde. Diese dienen Projektierungsunternehmen und Genehmigungsbehörden als Hilfestellung bei der Bewertung zum Schutz der Fledermaus oder avifaunistischen Aspekten. Auch die Servicestelle Windenergie der ThEGA hat das Heranziehen des Fachbeitrages und der Arbeitshilfe im Zuge der Vergabe des „Siegels für faire Windenergie“ angeraten.

Die von der Genehmigungsbehörde geforderten Ersatz- und Ausgleichmaßnahmen konnten mit der Gemeinde und dem Landratsamt nach den Bedürfnissen vor Ort abgestimmt werden.
Es kam zur Entbuschung von circa vier Hektar Streuobstwiese und zur Pflanzung und dauerhaften Pflege von 50 regionstypischen Obstbäumen. Durch die Renaturierung des Helderbach konnte der ökologische Gewässerzustand verbessert werden. Diese Maßnahme dient auch dem Hochwasserschutz.
Die kommunalen Vertreter und Bürgermeister konnten hierzu Fragen stellen und haben einen tieferen Einblick zur Herangehensweise in Bezug auf Natur- und Artenschutz erhalten.
Es wurden rechtskonforme Zuwendungsverträge mit der Gemeinde geschlossen, sodass ca. 30.000 € pro Jahr für soziale Zwecke, z.B. Tischtennisverein, Bibliothek oder Heimatverein, zur Verfügung gestellt werden können. Über die Zuwendung wird jährlich nach Bedarf entschieden und dann im Amtsblatt der Gemeinde berichtet.
Auch die Flächeneigentümer haben einen Vertrag mit der Gemeinde geschlossen und stellen einen Teil der Pacht für soziale Zwecke zur Verfügung.

Die Wegeplanung wurde mit örtlichen Bewirtschaftern abgestimmt, vorhandene Hauptwege konnten dabei genutzt werden. Auch kommunale Wege wurden bei der Planung berücksichtigt, und deren Nutzung über eine hohe Einmalzahlung entschädigt.
Probleme zeigten sich beim Bau der WEA. Hier wurde an trockenen Tagen eine hohe Staubbelastung bemängelt. Durch die gute konstruktive Zusammenarbeit zwischen Gemeinde, der örtlichen Agrargenossenschaft und dem Errichter der WEA wurden hier umgehend Wasserwagen zur Verfügung gestellt, um die Belastungen einzudämmen.
Weiter ging die Fahrt mit dem Bus zum Windpark Eckolstädt in Mittelthüringen.

Station 3: Windpark Eckolstädt / Mittelthüringen (Repowering und Beteiligung beim Bau von Windenergieanlagen)

Der in der Planungsregion Mittelthüringen liegende Windpark in Eckolstädt verfügt derzeit über 41 Windenergieanlagen, welche sich über neun Ortsteile der VG Saaleplatte erstrecken. Beginn der Errichtung der ersten WEA war 1997 nach fünfjähriger Planungs- und Genehmigungsphase. Des Weiteren entstehen hier voraussichtlich zehn neue Vestas Anlagen im derzeitigen Vorschlagsgebiet des Regionalplanentwurfes Mittelthüringen.
Die Teilnehmer unserer Busfahrt konnten sich hier unter anderem über das Repowering und Beteiligungsmöglichkeiten an einem Windpark informieren. So berichtete der Vorsitzende der VG Saaleplatte, Herr Hammer, über eine im Jahr 2015 gegründete Stiftung, welche gewährleisten soll, dass die Menschen, welche am Windpark leben, auch davon profitieren. Die Stiftung hat unter anderem die Feldwege im Windparkgebiet angekauft. Darüber lassen sich für den Stiftungstopf jährlich auf 25 Jahre ca. 90.000 € erwirtschaften (pro WEA 2.000 – 5.000 € jährlich). Durch das angewandte Stiftungsmodell bleibt das Geld stets in der von Windenergie betroffenen Region, unabhängig von einer eventuell zukünftigen Gebietsreform oder anderen kommunalen Hoheiten. Des Weiteren gibt es vergünstigte Grünstromtarifangebote, welche von den Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden können.

Mit dem Stiftungsgeld wird z.B. das altersgerechte Wohnen in der Region gefördert. Der VG-Vorsitzende betonte dabei, dass Akzeptanz geschafft werden könnte, sobald die Bevölkerung sieht, dass man etwas davon hat.
Matthias Golle von der Energiegenossenschaft Rittersdorf (ca. 135 Mitglieder), welche über den Dachverband der Bürgerenergiegenossenschaft „Beth eV“ Thüringen strukturiert ist, erläuterte die Notwendigkeit, die Menschen vor Ort zu beteiligen. Hierbei bietet eine Genossenschaft gute Möglichkeiten, sich direkt zu beteiligen, „Energie in Bürgerhand“ zu bringen und somit Akzeptanz vor Ort zu schaffen. Dies ist auch ein Anliegen der Servicestelle Windenergie.

Am Ende unserer Busfahrt gab es konstruktive, aber auch kontroverse Diskussionen zwischen kommunalen und politischen Vertretern über das Für und Wider des Ausbaues der Windenergie in Thüringen und auf Bundesebene.
Diese erste Weiterbildungsfahrt ist eine wichtige Vernetzungs- und Austauschmöglichkeit abseits von Messen und Fachkongressen. Denn unter Einbeziehung und Beteiligung der Kommunen und Menschen vor Ort kann es gelingen, den Windenergieausbau in Thüringen mit Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein für Mensch und Natur erfolgreich zu gestalten und regionale Wertschöpfung zu generieren. Es bedarf neben der finanziellen Möglichkeit zur Beteiligung unbedingt der „informellen Beteiligung“ aller Beteiligten. Nicht nur in Thüringen bestehen gegenüber der Windenergie zahlreiche Vorbehalte und Ängste. Die Servicestelle Windenergie versucht hier als neutrale Beratungs- und Informationsstelle, das Ohr an der Basis zu halten und unabhängig von der Einstellung zur Windenergie allen Belangen zur Windenergie die nötige Aufmerksamkeit und Sachlichkeit zu verschaffen.

Die ThEGA hatte sich bewusst dazu entschieden, diese Fahrt ausschließlich ohne Projektierungsunternehmen zu gestalten, da hier neben informativen Einblicken zu Fragen der Windenergie Thüringen auch ein ungezwungener Austausch für regionale Entscheidungsträger, Vertreter der Landesregierung sowie Kommunalvertretern aus Thüringen gewährleistet werden sollte. Nach der erfolgreichen Premiere dieses Formates werden künftig sicherlich weitere Fahrten folgen. „Freuen würde uns sehr, dann auch Vertreter der Genehmigungsbehörden und Planungsgemeinschaften Thüringens zu gewinnen, sofern die IHK hier sogar ein Weiterbildungszertifikat ausstellt“, so Ramona Notroff, Leiterin der Servicestelle Windenergie bei der ThEGA.
Die ThEGA dankt allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie den Kooperationspartnern und Windparks für die erfolgreiche Veranstaltungspremiere.