Quelle: deENet

Mut zur dezentralen Energiewende

Regionale Akteure fordern zum Auftakt des Kongresses "100%-Erneuerbare-Energie-Regionen" mehr politisches Engagement für eine dezentrale Energiewende

In Kassel kommen heute Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und kommunaler Praxis zum sechsten Kongress „100%-Erneuerbare-Energie-Regionen“ zusammen. In einem zum Auftakt des Kongresses veröffentlichten Kommuniqué fordern die im Netzwerk der 100ee-Regionen organisierten regionalen Akteure von der Bundes- und Landespolitik mehr Mut und Engagement für die dezentrale Energiewende.

„Bei den regionalen Akteuren, die den Ausbau der erneuerbaren Energien jahrelang geprägt und vor Ort umgesetzt haben, ist derzeit eine große Verunsicherung und Enttäuschung über die Politik der Bunderegierung zu spüren“, so Dr. Martin Hoppe-Kilpper, Geschäftsführer von deENet Kompetenznetzwerk dezentrale Energietechnologien e.V. und einer der Veranstalter des Kasseler Kongresses. „In einem bundesweiten Dialogprozess innerhalb des Netzwerks der 100ee-Regionen haben wir ein gemeinsames Kommuniqué erarbeitet, das sieben klare Forderungen an die Politik formuliert.“ Eine der Forderungen sieht den deutlich schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien in dezentralen Strukturen ohne Begrenzungen oder Deckelungen vor. Im Gegensatz zu dezentralen erneuerbaren Energien können zentrale Lösungen wie die Windenergienutzung auf See oder Solarenergie aus der Wüste nur geringe Anteile liefern und erfordern einen massiven Ausbau des Höchstspannungsnetzes.

„Bisher fehlt ein Marktmodell für die Energiewende, mit dem die alten Strukturen der brennstoffabhängigen Energiewirtschaft überwunden werden können“, erläutert Dr. Dag Schulze, Leiter des Fachbereichs Energie beim Klima-Bündnis e.V. „Es müssen passende Rahmenbedingungen für die sparsame Energieverwendung und zur kompletten Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien geschaffen werden. Dafür schlagen wir ausgehend von den Stomvertrieben den Aufbau eines Marktes für Energiedienstleistungen vor, der in Zukunft auch den Wärme- und Transportbereich umfasst."

„Alle Elemente der Energiewende – der Ausbau der erneuerbaren Energien, langfristige Sanierungspläne für Gebäude, eine nachhaltige Wärmeversorgung und auch die nachhaltige Umgestaltung des Verkehrssystems – müssen auf kommunaler und regionaler Ebene konsequent verfolgt werden,“ weiß Dr. Klaus Müschen, Leiter der Abteilung Klimaschutz und Energie im Umweltbundesamt. „Die Akzeptanz für diese Prozesse ist sehr wichtig: Sie können nur durch das aktive Engagement von Verwaltungen und der Wirtschaft sowie durch engagierte Mitwirkung der Menschen vor Ort erfolgreich vorangetrieben werden.“

„Mit dem im August in Kraft getretenem EEG 2014 wurden die Förderbedingungen derart verschlechtert, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich verlangsamt“, so deENet-Geschäftsführer Hoppe-Kilpper. „Die geplanten Ausschreibungsmodelle gefährden außerdem die Akzeptanz der Energieprojekte bei den ansässigen Bürgerinnen und Bürgern.“ Er sieht die große Gefahr, dass die zahlreichen, in Bürger-Energiegenossenschaften zusammengeschlossenen Menschen durch die erzeugte Verunsicherung dem weiteren Energiewendeprozess verloren gehen.

Gerade die engagierten 100ee-Regionen fühlen sich durch die Bundes- und Landespolitik in ihrem Einsatz für den Klimaschutz allein gelassen: „Bundes- und bayerische Staatsregierung scheinen zu denken: 'Hilfe, die schaffen die Energiewende ja tatsächlich!'“, meint Dr.-Ing. Alexa Zierl vom Ziel 21 e.V. aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck. „Photovoltaik-Bremse durch Straf-EEG-Umlage auf Eigenverbrauch, Windkraftverhinderung per 10H-Abstandsregel, immer höhere Hürden für Bürgerengagement und Regionalstrom – wo man auch hinschaut, werden der 'Energiewende von unten Steine' in den Weg gelegt. Demnächst wird man wahrscheinlich vom Verfassungsschutz beobachtet, wenn man auf Passivhausstandard saniert oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt.“

Ähnlich entsetzt zeigt sich Landrat Bertram Fleck aus der 100ee-Region Rhein-Hunsrück-Kreis: „Die erneuerbaren Energien waren bisher das Zugpferd der regionalen Wertschöpfung und des Klimaschutzes. Nun droht der Ausbau der erneuerbaren Energien ähnlich zu stocken wie der derzeitige Fortschritt bei den Sanierungsmaßnahmen.“

Zum Netzwerk der 100ee-Regionen gehören Kommunen, Landkreise, Stadt- und Regionalwerke, Energiegenossenschaften und aktive Bürger, Wissenschaftler, Organisationen und Unternehmen. In den besonders aktiven Regionen leben mehr als 25 Millionen Menschen. Der Kongress „100%-Erneuerbare-Energie-Regionen“ ist die sechste bundesweite Jahreskonferenz der 100ee-Regionen. Das Kommuniqué spiegelt auch die sechsjährige Erfahrung aus über 160 Fachforen mit etwa 3.000 aktiven Teilnehmern wider.

Neben deENet wird der Kongress „100%-Erneuerbare-Energie-Regionen“ auch vom Klima-Bündnis, dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. (DGRV) und der Agentur für Erneuerbare Energien e.V. (AEE) veranstaltet. Das UBA begleitet und berät den Kongress fachlich.